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Agiles Arbeiten in Rechtsabteilungen: Was Unternehmensjuristen von Digitalunternehmen lernen können

Agiles Arbeiten ist der Business-Hype der vergangenen Jahre. Sollten Unternehmensjuristen dem Trend blind hinterherlaufen? Natürlich nicht. Sollten sie sinnvolle Elemente für sich adaptieren? Unbedingt!  Wir haben fünf Vorschläge, welche Best Practices sich für Rechtsabteilungen eignen. 

 

Ist Ihre Rechtsabteilung mit immer komplexeren Anforderungen konfrontiert? Soll sie trotzdem immer schneller Ergebnisse liefern? Höchstwahrscheinlich können Sie diese Fragen mit Ja beantworten -  ESG oder GDPR lassen grüßen. 

 

Digitalunternehmen sind unter ganz ähnlichen Rahmenbedingungen entstanden. Permanenter Veränderung gerecht zu werden, das ist ihre DNA. Deshalb können Unternehmensjuristen sich bei ihnen die eine oder andere Maßnahme aus dem Methodenkoffer abschauen, um die eigenen Herausforderungen zu meistern.

 

Verträge sind keine Software

Klar ist: Rechtsprodukte sind keine Software. Der LinkedIn-Gründer Reid Hoffmann sagte einmal: „Wenn dir die erste Version deines Produktes nicht peinlich ist, hast du es zu spät auf den Markt gebracht.“ Für Entwickler ist das kein Problem: Man kann schließlich im Tagesrhythmus Updates einspielen. Die erste Version eines Vertrages sollte aber alles andere als peinlich sein. Sie sollte wie die erste Version einer Brücke sein: Belastbar, bevor sie jemand benutzt.

 

Wenn wir darüber sprechen, was Juristen von Entwicklern lernen können, sprechen wir also nicht in erster Linie über Produkte, sondern über Prozesse: Die Art und Weise, wie man innerhalb der Rechtsabteilung, mit Kollegen im Unternehmen und mit Kanzleien zusammenarbeitet. Und wir sprechen über das Mindset, nie mit dem Status quo zufrieden zu sein, sondern seine Services permanent verbessern zu wollen. 

 

Kein Team muss deshalb von heute auf morgen agil werden und hunderte Post-its auf ein Whiteboard kleben. Viel wichtiger ist, mit kleinen Änderungen zu starten und für sich selbst die Maßnahmen zu entdecken, die die eigene Arbeit beschleunigen und sichtbare Ergebnisse bringen.  

 

1. Fokus auf den Nutzer

Alle erfolgreichen Digitalunternehmen haben eines gemeinsam: Sie stellen den Kunden und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt.  Der Grund: Die Konkurrenz auf dem Onlinemarkt ist riesig, die Eintrittsbarrieren sind gering. Ein Gründer mit einer guten Idee ist in der Lage, Konzerne herauszufordern. Ein Marktführer kann innerhalb weniger Jahre bedeutungslos werden (oder nutzen Sie heute noch Skype für Videocalls?). 

 

Deshalb beziehen Digitalunternehmen ihre (potenziellen) Kunden von Anfang an in den Produktentwicklungsprozess ein und hören nie auf, ihre Angebote zusammen mit ihrem Kunden weiterzuentwickeln. “We innovate by starting with the customer and working backwards”, erklärt Jeff Bezos die Amazon-Philospophie. “It’s our job every day to make every important aspect of the customer experience a little better.” 

 

Rechtsabteilungen müssen zum Glück keine Kunden gewinnen.  Die Kollegen aus dem Business müssen sich in der Regel mit Themen wie Datenschutz und Compliance auseinanderzusetzen. Dennoch können Unternehmensjuristen sie als ihre internen Kunden verstehen und durchaus versuchen, es ihnen so einfach wie möglich zu machen.

 

Der erste Schritt dahin ist es, zu verstehen, dass Rechtsthemen für Nicht-Juristen schwer zugänglich sind und häufig als wenig produktiv empfunden werden. Der zweite Schritt ist, zu erkennen, welche Anforderungen der Rechtsabteilung als besonders aufwändig empfunden werden. Dazu können Unternehmensjuristen ein paar Kollegen aus verschiedenen Abteilungen zu einer Feedback-Runde einladen. Vermutlich kristallisieren sich dabei schnell einige Punkte heraus, die mit sehr wenig Aufwand verbessert werden können. Der dritte Schritt ist, einen Prozess zu etablieren, der laufend Feedback von den “Kunden” der Rechtsabteilung einholt, sei es durch regelmäßige Feedback-Runden oder zum Beispiel eine regelmäßige NPS-Abfrage.

 

2. Usability ernst nehmen

Gute Produkte haben eine gute Usability, auf Deutsch: sie sind anwenderfreundlich. Wer eine App herunterlädt, möchte diese sofort intuitiv verstehen und bedienen können. Oder, in Elon Musks Worten: “Any product that needs a manual to work is broken.” 

 

Auf das “Produkt” einer Rechtsabteilung bezogen bedeutet das unter anderem: Verträge sollten nicht komplexer sein als notwendig. Der Prozess der Vertragserstellung sollte für alle Beteiligten möglichst einfach sein. Idealerweise gibt es Tools, die die juristischen Laien in den Abteilungen befähigen, rechtlich relevante Aufgaben und Tätigkeiten selbst rechtskonform zu erledigen.

 

Seit einigen Jahren gibt es die Disziplin des Legal Designs, das sich mit genau diesen Herausforderungen beschäftigt. Legal-Design-Beraterin Astrid Kohlmeier hat einige Grundlagen postuliert, unter anderem: “Ein rechtliches Dokument ist ein User Interface - es muss klar, eindeutig und einfach zu verstehen sein.“

 

 

3. Think Big but start small

In Unternehmen werden gerne große Ziele ausgerufen: “Bis 2025 werden wir alle Prozesse vollständig digitalisieren”. So wichtig es für Mitarbeiter und Team ist, zu wissen, wo die Reise hingeht, können solche schwer fassbaren Vorgaben im Tagesgeschäft lähmen.

 

Viel wichtiger ist deshalb, mit kleinen Projekten anzufangen. Mit ihnen erzielt man schnell Erfolgserlebnisse, macht Erfahrungen und kann Zweifler im Unternehmen mit Ergebnissen überzeugen. Rechtsabteilungen können gerade solche kleineren Projekte selbst initiieren und damit großen Mehrwert für die Kollegen im Business schaffen. Der Legal-Tech-Berater Dr. Gernot Halbleib berichtet über die Erfahrung beim Automobilhersteller Audi: “Ein gutes Beispiel für ein erstes kleines Projekt und dessen iterative Erweiterung ist der Audi DocCreator, mit dem zunächst die Erstellung eines einzelnen Vertragsdokuments in einer Tochtergesellschaft automatisiert wurde, und der im Laufe der Zeit auf viele weitere Dokumente im ganzen Konzern erweitert wurde.”

 

Wie Digitalunternehmen sollten auch Rechtsabteilungen versuchen, die “Early Adopter” im Unternehmen für solche Pilotprojekte zu gewinnen. Also Teams und Kollegen, die technologieaffin sind und selbst Spaß daran haben, Prozesse zu vereinfachen und zu automatisieren. Sie sind bereit, sich mit den Tools auseinanderzusetzen und nehmen in Kauf, dass anfangs nicht alles bereits perfekt funktioniert. 

 

Im Rahmen von Innovationsprojekten können Rechtsabteilungen prüfen, welche ihrer Aufgaben gut standardisierbar sind, zum Beispiel die Verwaltung von NDAs oder DPAs. Diese Commodity-Tätigkeiten können intern standardisiert oder auch ausgelagert werden, zum Beispiel als Managed Legal Service an VARIO Legal. So verschaffen Unternehmensjuristen sich dauerhaft mehr Zeit für strategische Themen.

 

 

 

4. Ziele definieren & messen

Digitalunternehmen lieben Kennzahlen. Ihre Entscheidungen treffen sie datenbasiert. Bei ihnen gilt das Zitat des Statistikers W.E. Deming:  “Without data, you’re just another person with an opinion”.

 

Damit Rechtsabteilungen nachvollziehen und nachweisen können, ob neue oder verbesserte Prozesse tatsächlich das gewünschte Ergebnis liefern, müssen sie vorab Ziele definieren. Aus diesen Zielen leiten sie Kennzahlen ab, anhand derer sich der Fortschritt prüfen lässt. 

 

Eine Methode, die bei Google entwickelt und von Netflix, Facebook und vielen anderen bekannten Digitalunternehmen adaptiert wurde, ist Objectives and Key Results, kurz OKR. Um ihre langfristigen Ziele zu erreichen, definieren Teams mittels OKR Prioritäten und Kennzahlen für jeweils das nächste Quartal.

 

Eine pauschale Empfehlung, welche Ziele und Kennzahlen sich für Rechtsabteilungen eignen, gibt es nicht. Jedes Unternehmen muss sie individuell definieren. Beispiele könnten eine geringe Anzahl offener Anfragen aus dem Business oder die vermehrte Verwendung von Vertragsvorlagen sein. Klar ist aber auch, dass es nicht um reine Effektivität gehen darf. Niemandem ist geholfen, wenn Unternehmensjuristen zwar in Rekordzeit antworten, aber sich nicht genug Zeit für die gründliche Recherche nehmen können.

 

 

5. Interdisziplinäre Teams bilden

 

Aus allem, was Sie bisher gelesen haben, wird klar: Die Rechtsabteilung allein kann die Herausforderungen nicht stemmen. Sie muss Kollegen aus den Fachabteilungen ins Boot holen, außerdem Menschen mit Erfahrung im Projektmanagement, im Design und vielleicht auch in der Software-Entwicklung. Es muss nicht direkt ein spezialisierter Legal Designer oder ein Legal Project Manager sein. In größeren Unternehmen arbeiten in der Regel Menschen mit passendem Background und den notwendigen Methodenkenntnissen, um die ersten Testballons zusammen steigen zu lassen. Die Hauptsache ist, dass diese motiviert sind, mit den Unternehmensjuristen zusammen Verbesserungen auf den Weg zu bringen. 

 

Neben dem Tagesgeschäft fehlt oft die Zeit, um Innovationsprojekte mit voller Kraft voranzutreiben. Um der Rechtsabteilung den notwendigen Freiraum zu verschaffen, kann VARIO auch für einen begrenzten Zeitraum Projektjuristen zur Verfügung stellen.

 

Schließlich braucht man noch das Commitment und die Rückendeckung des Managements, als Projektteam eigenverantwortlich arbeiten zu können. Denn auch das ist ein Best Practice aus der Digitalbranche und Grundlage agilen Arbeitens: Mitarbeiter erhalten das Vertrauen und die Freiheit, selbst Entscheidungen zu treffen. Denn, wie Twitter-Gründer Biz Stone feststellt: “When you hand good people possibility, they do great things.”

 

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