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Lawyer Well-Being: Was Arbeitgeber für die mentale Gesundheit ihrer Anwälte tun können

Anwälte tragen ein besonders hohes Risiko, psychische Erkrankungen zu entwickeln. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie “Lawyer Well-Being”. Sie gibt gleichzeitig Tipps, wie Kanzleien und Unternehmen ihre Mitarbeiter schützen können.

 

“Wir waren nicht von den Ergebnissen überrascht, sondern von der Tatsache, dass das vorher nicht als Problem wahrgenommen wurde”, kommentiert Nadine Becker, Stress Management Expertin und Beraterin beim Legal-Tech-Anbieter Join, im Whitepaper zur Studie. Es werde unter Juristen als normal angesehen, überdurchschnittlich lange und unter hohem Druck zu arbeiten. “Jeder weiß es, aber niemand empfindet es als bedrohlich.” 

 

Die aktuelle Studie des Liquid Legal Institutes (LLI) aber bestätigt die negativen Auswirkungen der Arbeitsbedingungen auf die Gesundheit: Anwälte leiden in höherem Maße als die Durchschnittsbevölkerung und andere Berufsgruppen unter Stress, Angstzuständen, Depressionen, psychischen Störungen, Burn-out und Sucht. Fast 70% der angestellten Anwälte unter den Studienteilnehmern hatten bereits beruflich bedingte psychische Probleme.

 

Gesunde Mitarbeiter für eine leistungsfähige Organisation

 

Für Becker müssen Unternehmensleitungen erst einmal akzeptieren, dass es einen Missstand gibt: Dann bräuchten sie Strategien, wie sie ihre Mitarbeiter vor dem Risiko einer psychischen Erkrankung schützen können. „Die Gesundheit der eigenen Mitarbeiter sollte in 2022 die oberste Priorität für jedes Management sein”, unterstreicht die Stress Management Expertin. 

 

Das Thema tritt aber nicht nur angesichts der Fürsorgepflicht der Arbeitgeber in den Fokus. Es geht vielmehr auch darum, die langfristige Leistungsfähigkeit der Organisation sicherzustellen: “Wenn Lawyer Well-Being nicht angegangen wird, führt dies bestenfalls zu Fluktuation, wahrscheinlicher aber zu Qualitätsverlusten, fehlender strategischer Entwicklung und Burn-out von Teammitgliedern - oder Schlimmerem“, prognostiziert Martin Clemm, General Counsel der Software AG. Was Arbeitgeber konkret tun können, um der Gefahr psychischer Erkrankungen vorzubeugen, dazu geben die Experten im Whitepaper zur Studie einige Tipps. 

 

Wie Arbeitgeber vorbeugen können

1. Sicherheit geben durch offene Kommunikation 

“Der erste Schritt ist, über Gesundheit und Wohlbefinden zu sprechen und nicht länger so zu tun, als seien "gute" Anwälte psychisch unverwundbar”, rät die Psychologin Diane Manz.

 

Es gelte eine Unternehmenskultur und ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich Mitarbeiter sicher genug fühlten, sich miteinander über das Thema auszutauschen und Probleme anzusprechen. Informations- und Beratungsangebote zum Beispiel bauten Ängste ab und „können eine Diskussion über Well-Being und menschenorientierte Arbeitsmethoden anstoßen”, verdeutlicht Business Coach Karla Schläpfer. 

 

Die Realität der Studienteilnehmer zeigt, dass es bis dahin ein weiter Weg ist: 80% von ihnen haben den Eindruck, dass sie – sollten sie einmal Hilfe brauchen - von ihrem Arbeitgeber keine Unterstützung erwarten könnten.

 

2. Angebote für die Mitarbeiter schaffen

Mit überschaubarem Aufwand lassen sich laut den Experten weitere Angebote für die Mitarbeiter umsetzen, zum Beispiel Coachings im Bereich Stressbewältigung. Für Führungskräfte könnten diese sogar doppelt hilfreich sein: Um den eigenen Stress besser zu bewältigen und um ihre Mitarbeiter dabei zu unterstützen. An die Wirksamkeit glauben auch die Studienteilnehmer: Über 60% halten solche und vergleichbare Angebote wie Achtsamkeitstrainings für vielversprechend. 

 

Im Idealfall etablierten Unternehmen ergänzend einen Prozess im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements, der Menschen bei der Rückkehr nach einer psychisch bedingten Abwesenheit unterstützt. 

 

3. Führungskräfte schulen

Die oberste Management-Ebene und Führungskräfte spielen eine besonders wichtige Rolle beim Schutz der psychischen Gesundheit ihrer Mitarbeiter.

 

“Personalverantwortliche sollten eine professionelle Ausbildung in wertschätzender Führung sowie in der Früherkennung von und dem Umgang mit psychischen Problemen bei ihren Mitarbeitern erhalten”, rät Diane Manz. „Dazu gehört auch, sie zu unterstützen, mental gesund zu bleiben, und ihnen in dieser Hinsicht ein Vorbild zu sein.

 

“Entscheidend dabei sei die Haltung der Geschäftsleitung: Sie müsse, so Diane Manz “klar entscheiden, wie sie in Zukunft mit Fragen der psychischen Gesundheit und auch mit psychischen Problemen umgehen möchte, entsprechende Maßnahmen kommunizieren und sie vorleben.”  Dazu gehöre auch, Menschen nachdrücklich anzuhalten, diese kulturellen Änderungen nicht zu ignorieren oder zu gefährden.

 

4. Bessere Fehlerkultur etablieren

Das anwaltliche Selbstverständnis zeichnet sich durch einen Hang zum Perfektionismus und eine sehr niedrige Fehlertoleranz aus. Juristen denken in Worst Cases und konzentrieren sich auf die Dinge, die schief laufen könnten, sind also professionelle Pessimisten. Was für die Ergebnisse der juristischen Arbeit sehr positiv sein kann, wirkt sich auf die psychische Verfassung leider sehr negativ aus: Perfektionismus und niedrige Fehlertoleranz korrelieren mit Versagensängsten und psychischen Problemen, konstatiert die Neuropsychologin Dr. Yana Heussen. 

 

Welche Folgen dieses Mindset für die Menschen hat, weiß Britta Spachtholz, Head of People Solutions bei VARIO Legal, aus zahlreichen Gesprächen: “Ich kenne kaum einen Anwalt, der nicht zumindest in den ersten Jahren seiner beruflichen Laufbahn hin und wieder schweißgebadet aufwacht, weil er befürchtet, etwas übersehen oder falsch gemacht zu haben."

 

Wichtig sei deshalb, so Spachtholz, dass die Kultur am Arbeitsplatz Versagensängste nicht verstärkt:  “Ich denke, dass eine noch bessere Fehlerkultur in Kanzleien und Rechtsabteilungen und der offene Umgang mit dieser Herausforderung auch zum Wohlbefinden vieler Kollegen beitragen könnten.” Diese Erwartung haben auch die Studienteilnehmer. 80% der Befragten glauben, dass eine höhere Fehlertoleranz die mentale Belastung am Arbeitsplatz deutlich reduzieren könnte.

 

5. Legal Tech & Projektmanagement professionalisieren

Ständig wiederkehrende Verwaltungsaufgaben und administrative Prozesse können echte Zeitfresser sein und tragen wenig zur Wertschöpfung bei. Abhilfe können mehr Einsatz von Legal Tech, Prozessoptimierung und besseres Projektmanagement schaffen. Diese Ansicht teilt mit rund 70% auch die große Mehrheit der Studienteilnehmer.

 

Damit das aber die Anwälte entlastet, müsse zumindest ein Teil der Zeitersparnis auch an die Anwälte weitergegeben werden, fordert Nadine Becker. Die Effizienzsteigerung dürfe nicht nur genutzt werden, um das wirtschaftliche Ergebnis zu verbessern.

 

6. Arbeitsbelastung reduzieren

Als eine der Hauptursachen für psychische Probleme bei Anwälten nennt die Lawyer-Well-Being-Studie eine hohe Arbeitsbelastung. Erster Ansatzpunkt, um diese zu reduzieren, sind natürlich die Arbeitszeiten. Aber es gibt weitere Hebel: Zum Beispiel können Arbeitgeber Zeitfenster für konzentrierte Stillarbeit schaffen, meetingfreie Tage einführen oder eine Kultur der Pausen pflegen, schlägt Karla Schläpfer vor. Sie ist überzeugt: “Ruhe ist eine Investition in unser Wohlbefinden.”

 

Ein weiterer Ansatzpunkt für Arbeitgeber ist es, Belastungsspitzen für die Mitarbeiter abzufedern. Wenn ein Kollege längere Zeit ausfällt oder ein großes Projekt besonders Ressourcen erfordert, sollten die oft ohnehin schon stark belasteten Mitarbeiter nicht noch zusätzliche Überstunden leisten müssen. In diesen Fällen bietet der Einsatz von Projektjuristen eine einfache und pragmatische Alternative. 

 

VARIO Legal unterstützt Rechtsabteilungen mit flexibel einsetzbaren Projektjuristen, die sowohl vorübergehend als auch dauerhaft personelle Engpässe auffangen können. So kann nicht nur die Leistungsfähigkeit eines Teams sichergestellt, sondern auch zum mentalen Wohlbefinden der Mitarbeiter beitragen werden. 

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