Andrea KlieveAndrea Klieve ist Anwältin und langjähriges Mitglied der Geschäftsleitung eines großen Outsourcing-Dienstleisters. Wenn sie über Outsourcing spricht, dann merkt man ihre Begeisterung. Nach dem zweiten Staatsexamen startete sie ihre Karriere als Personalleiterin in einem auf Outsourcing spezialisierten Unternehmen. Später verantwortete sie hier auf Geschäftsleitungsebene signifikante Teile des Deutschlandgeschäfts sowie internationale Aktivitäten.

 

„Outsourcing? Das steht für mich für Qualität, Effizienz und Transparenz. Und nicht zu vergessen: Für Kostenvorteile“, fasst Klieve die Vorteile von Outsourcing zusammen.

Dem Eindruck, dass es beim Outsourcing nur um vermeintlich „simple“ Prozesse gehe, tritt die Branchenexpertin nachdrücklich entgegen. „Im klassischen BPO-Bereich reichen die outgesourcten Prozesse und Prozessketten von einfach bis hochkomplex, oft sind sie sogar geschäftskritisch“, weiß Klieve. Generell gelte: Je anspruchsvoller der Prozess, umso höher die Wertschöpfung für alle Seiten. Allerdings komme es auch darauf an, den spezialisierten Dienstleister mit den passenden Instrumenten zu steuern.

 

Lässt sich diese Erfahrung aus dem BPO-Bereich wirklich auch auf Legal Prozesse übertragen? 

Klieve ist sich sicher: „Dass Unternehmen Rechtsberatung einkaufen, ist übliche Praxis. Der Schritt, bestimmte Inhouse-Prozesse nun ebenfalls extern zu vergeben, erscheint mir vergleichsweise klein.“ Zudem gibt es bereits seit Langem Beispiele, wie auch Core-Prozesse durch Spezialisten reibungslos erledigt werden: „Denken Sie an den gesamten IT-Bereich. Hier sind bereits seit Jahren nicht nur 1st und 2nd Level Tätigkeiten, sondern in vielen Einheiten sämtliche Tätigkeiten an Spezialisten outgesourct.“ 

 

Outsourcing geeigneter Prozessketten, ja ganzer Abteilungen sei seit vielen Jahren ein wachstumsstarker Trend. Umso erstaunlicher, dass Legal Process Outsourcing erst jetzt ein Thema im Rechtsmarkt geworden ist. Klieve, die heute als Anwältin im Vergaberecht tätig ist, beobachtet den Markt seit vielen Jahren: „In den meisten Branchen ist Outsourcing heute eine Selbstverständlichkeit. Selbst die öffentliche Hand, die als Innovationstreiber unverdächtig ist, verlagert Prozesse auf Private. Für den Rechtsmarkt in Deutschland gilt aber: Es ist ein enorm konservativer, überreglementierter Markt mit wenig freundlichem Klima für neuartige Entwicklungen – jedenfalls bisher.“

 

In einem solchem Markt entwickelten sich naturgemäß auch alternative Angebote nur sehr zögerlich. Aber: „Wir sehen in den letzten Jahren, dass gelebte Modelle, vorwiegend aus dem anglo-amerikanischen Raum, ihren Weg auch nach Deutschland finden und den Rechtsmarkt hier ins Nachdenken und in Bewegung bringen“, erläutert Klieve den aktuellen Stand. Und auch Unternehmen sind über internationale Verflechtungen zunehmend über das informiert, was in anderen Jurisdiktionen möglich ist. „Da muss sich der ein oder andere schon fragen lassen, warum Deutschland hier hinterherhinkt“, berichtet Klieve aus der Praxis.

 

Welche konkreten Fallgestaltungen sind es, bei denen Rechtsabteilungen Legal Process Outsourcing nutzen wollen und sollten? 

Andrea Klieve sieht hier drei typische Szenarien: „Zum einen gilt die – wenn man so sagen will – Urkonstellation für Outsourcing auch im Rechtsbereich: nämlich schwankende Arbeitsbelastung. Auch im Rechtsbereich ist der Arbeitsanfall nicht linear. Es gibt Lastspitzen (sog. „Peaks“) und ebenso Zeiten der Unterauslastung. Genau für diese Peaks externe Kräfte hinzuzunehmen, ist ein Hauptanwendungsfall für qualifiziertes Legal Process Outsourcing.“

 

Der zweite Case sind hochstandardisierte Tätigkeiten: „Repetitive, gleichförmige Tätigkeiten durch einen Dritten erledigen zu lassen – dieser Klassiker des Outsourcings funktioniert auch im Rechtsbereich. Denken Sie beispielsweise an NDAs oder die Anpassung bestimmter Vertragsklauseln,“ erläutert Klieve.

 

Eine dritte denkbare Fallgestaltung ist genau das Gegenteil davon: Kleine Volumen mit einer besonderen fachlichen Anforderung oder mit sprachlichen Besonderheiten. Klieve: „Unternehmen können nicht für jede atypische Fallgestaltung Spezialisten vorhalten. Aber ein spezialisierter Dienstleister – der kann das eben. Spezialisten, die in einem, vergleichsweise seltenen, Thema eine Vielzahl von Mandanten betreuen."

 

Genau hierdurch lassen sich auch Kostenvorteile für Unternehmen generieren. Der Kostenvergleich liegt zwischen der Einstellung einer eigenen Ressource und der komplett aufwandsabhängigen Bezahlung beim Outsourcing, sei sie nun stundensatz- oder transaktionsbasiert. „Stellen Sie sich vor: Sie zahlen nur, was tatsächlich anfällt. Ohne Vorhaltekosten, ohne sonstige einzukalkulierende Kosten für Abwesenheiten bei Urlaub- und Krankheit.“

 

Klingt das nicht fast zu schön, um wahr zu sein? Klieve lacht. Natürlich gibt es beim Outsourcing, ob Business-, Legal-, HR- oder IT-Outsourcing auch Herausforderungen: „Neben der Kostenfrage ist den Auftraggebern am wichtigsten, dass die Qualität stimmt.“ Dies muss der Outsourcing-Dienstleister gewährleisten, wenn er sich am Markt durchsetzen will. „Gerade große, namhafte Auftraggeber wollen nur mit qualitativ hochwertigen Dienstleistern arbeiten. Und sie verlassen sich nicht auf mündliche Zusagen, sondern die Qualität wird durch ein strenges Regelwerk aus Bonus-Malus-Vereinbarungen, Service-Level-Agreements (sog. „SLA“) und standardmäßigen Überprüfungen der Qualität sichergestellt“. 

 

Qualitätsmessungen und Legal, passt das zusammen? Sogar sehr gut, ist Klieve überzeugt. „Gerade bei Legal Prozessen ist qua Natur der Sache klar, dass sie stimmen müssen. Fehler müssen so weit wie möglich vermieden werden. Wo dieses Verständnis von Fehlern eh bereits herrscht, kann ein Qualitätsmanagementsystem problemlos adaptiert werden.“

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